Migration in kontrollierte Bahnen lenken 1 „Migration Management“ und die IOM

Ich wurde einmal mit der Frage konfrontiert, warum sich meine Kritik am Migrationsregime oft auf eine Kritik an Nationalstaaten, Grenzen, Kapitalismus, Herrschaft, usw. beschränkt. Die „International Organization of Migration“ (IOM) sei eine richtig wüste Organisation, welche es genauso verdient hätte, in den Fokus von Widerstand zu geraten. Natürlich gab und gibt es viele Menschen, welche sich mit der IOM auseinandergesetzt haben, Wissen gesammelt haben und Kritik an ihr üben. Ich fühlte mich ertappt und hatte Lust, mich mit der IOM auseinanderzusetzen, da sie als ein weiterer Akteur auf die Migrationspolitik von Staaten Einfluss hat.

Die rassistischen Polizeikontrollen von Menschen mit dunkler Hautfarbe sehe ich als eine systematische Praxis, nicht weil ich davon ausgehe, dass alle Bullen Nazis sind, (obwohl es wohl sehr viele davon bei den Bullen hat), sondern aufgrund ihrer Häufigkeit und dem offensichtlichem Ziel, diesen Menschen das Leben in der schweiz zur Hölle zu machen. Das Wort Systematik bekam für mich eine weitere Bedeutung, als ich las, dass diese Praxis Teil eines Konzeptes ist, welches seit ca. 20 Jahren international immer beliebter wird. Das Konzept heisst „migration management“ und gilt als Konsens westlich-liberaler Staaten, wie mit Migration umgegangen werden soll. Die IOM spielt eine wichtige Rolle in der Verbreitung und Umsetzung dieses Konzeptes, das sie eine „globale Strategie“ nennt. Dieser Text soll ein Versuch sein, sich dem Konzept und der IOM zu nähern und einige Gedanken darüber zu teilen.

Das „migration management“

Das „migration management“ wurde hauptäschlich von der IOM entwickelt, mit dem Ziel, die staatliche Kontrolle über die Bewegung von Menschen radikal zu modernisieren, indem in den verschiedenen Ländern2 und für die verschiedenen Formen von Migration eine einheitliche Verwaltung angestrebt wird. Trotz den vielen individuellen Gründen, ein Land zu verlassen, unterscheidet die IOM nur drei Formen der Migration: legale, illegale und erzwungene Migration.

Was ist die IOM?
Die IOM wurde 1951 im Kontext des Kalten Krieges auf Initiative westlicher Staaten hin gegründet. 1952 hiess die Organisation noch „Zwischenstaatliches Komitee für europäische Auswanderung“. Sie sollte die Migration nach dem Zweiten Weltkrieg ökonomisch und politisch „sinnvoll“ organisieren und siedelte in den 1950er-Jahren fast eine Million Menschen um. Mit der Zeit wurde sie immer grösser und wird heute als die „führende zwischenstaatliche Organisation im Bereich Migration“ gefeiert. Die IOM hat 166 Mitgliederstaaten, wobei ihr Sitz, wie bei so vielen anderen internationalen Organisationen auch, in Genf liegt.

Das Konzept ist eine Reaktion darauf, dass die westlichen Staaten in den 1980er- und zu Beginn der 1990er-Jahre das Gefühl hatten, dass ihre staatlichen Kontrollapparate die Migration nicht mehr wie gewünscht unter Kontrolle hatten. Es waren Bürgerkriege in afghanistan oder angola, die von westlichen Staaten aufgezwungenen neoliberalen Reformen wie Strukturanpassungsprogramme, jahrelange wirtschaftliche Ausbeutung, politische Repression oder einfach das legitime Interesse von Menschen, bessere oder andere Lebensumstände zu finden, die zu Migrationsbewegungen führten, denen sich die westlichen Staaten nicht mehr gewachsen fühlten. Neben Anderen stellte sich auch die IOM gegen Stimmen, die sich für eine komplette Abschottung gegenüber jeglicher Einwanderung aussprachen. Stattdessen sprach sie von den Chancen der Migration, wenn es den Staaten gelinge, die Vorteile der Migration zu maximieren und die negativen Folgen zu minimieren.

Was mit positiv und negativ gemeint ist, entspricht ganz der neoliberalen Logik: Es wird unterschieden zwischen „nützlichen“ und „nutzlosen“ Migrant*innen, bezogen auf ihre wirtschaftliche Verwertbarkeit. Als nützlich werden Migrant*innen angesehen, welche der kapitalistischen Produktion als billige Arbeitskräfte oder als gut ausgebildete Spezialist*innen dienen können. Als nutzlos jene, die keinen Platz in der Wirtschaft haben und deshalb illegalisiert werden. Letztere sind dem Jagdtrieb der Bullen oder der Grenzwache ausgeliefert, werden eingesperrt und gewaltvoll ausgeschafft. Für die IOM ist Migration also nicht per se eine Gefahr für die Sicherheit und Stabilität eines Staates, sondern kann in bestimmten Formen wirtschaftlich lukrativ sein und soll darum gefördert werden.
Um gleichzeitig den positiven Nutzen aus den einen Menschen zu ziehen und die unerwünschten Menschen effektiv abwehren zu können, muss nach Angaben der IOM Ordnung in das Thema Migration gebracht werden und zwar international auf kohärente Weise. Das Herzstück des „migration management“ ist eine Kategorisierung anhand welcher jeder Staat die Menschen schön ordentlich einstufen kann.

1. Legale Migration, welche unterstützt werden soll:

Hochqualifizierte Arbeitskräfte, Tourist*innen oder Student*innen sind ökonomisch erwünschte Zuwanderer*innen und erhalten vereinfacht ein Visum und weitere Privilegien.

2. Illegale Migration3, welche bekämpft werden soll:

Ein Mensch, welcher nach der Genfer Konvention nicht als „Flüchtling“ anerkannt wird, wird illegalisiert. Dieser Mensch ist ökonomisch unerwünscht, hat keine Möglichkeit, legal zu arbeiten oder zu wohnen und lebt immer mit der Gefahr, in Haft gesteckt und ausgeschafft zu werden.

3. Erzwungene Migration, welche Schutz erhalten soll:

Offiziell anerkannten „Flüchtlingen“ sollen vom Staat geholfen werden. Dadurch kann das selbstkonstruierte Bild des humanitären Handelns in westlichen liberalen Staaten bewahrt werden.

Die IOM ist jener Akteur auf internationaler Ebene, der das „migration management“ am stärksten vorantreibt. Alle Programme der IOM entsprechen diesem Konzept. Die zugrundeliegende Denklogik, Migration entlang von wirtschaftlichen Prinzipien zu organisieren, ist in allen Programmen dieselbe.
Die IOM bildet zum Beispiel Grenzwärter*innen für eine Perfektionierung des Grenzregimes aus, führt sogenannte „freiwillige Rückkehrprogramme“ durch (also Ausschaffungen), hilft Staaten bei der weltweiten Vermittlung von hochqualifizierten Arbeitskräften oder betreibt Informationskampagnen mit dem Ziel, potentielle Migrant*innen abzuschrecken.

Die Macht und der Einfluss der IOM auf die Migrationspolitik

Die Finanzierung der IOM findet durch die Mitgliedstaaten statt. Es wird allerdings unterschieden zwischen einem administrativen Teil, in den alle einzahlen müssen und einem operationellen Teil, welcher die Durchführung der Migrationsprogramme beinhaltet, in den die Mitgliedstaaten freiwillig einzahlen können. Die Liste der Spenderstaaten für den operationellen Teil im Jahr 2016 zeigt, dass die usa mit 533 Millionen US- Dollars mit Abstand am meisten Geld einzahlt. Darauf folgen england, kanada, deutschland, australien, schweden und die eu, die kein Mitglied ist. Die schweiz beteiligte sich im selben Jahr mit 6 699 200 US-Dollars an den Programmen der IOM.4

Es sind alles Staaten, welche ein grosses Interesse daran haben, Migration zu beschränken, und wohl auch am meisten von den Programmen der Organisation profitieren. Diese Wohlstandsstaaten5 verdienten ihr Geld hauptsächlich durch die jahrelange Ausbeutung, Unterdrückung und Zerstörung von Lebensräumen in anderen Ländern. Gleichzeitig besitzen sie die Arroganz, ihre Werte und Normen als universal gültig zu erklären und anderen Staaten aufzuzwingen.

Eine „International Organization“ (IO) soll die Kooperation zwischen Staaten vereinfachen, so lautet oftmals die Begründung für die Existenz einer IO. So auch bei der IOM: „IOM works (…) to promote international cooperation on migration issues,…“. Klar kann von Kooperation gesprochen werden, dann wäre aber auch die Verhandlung über den Zugang zum Wassertrog zwischen dem Wolf und dem Schaf Kooperation. Meiner Meinung nach ist eine IO wie die IOM ein Instrument, mit dem die westlichen Staaten ihre Normen und Werte universal durchzusetzen versuchen. Die Resultate dieser angeblichen Kooperation widerspiegeln die herrschenden Machtverhältnisse zwischen Staaten. Zum Beispiel kann über die IOM Druck auf die Herkunftsstaaten von Migrant*innen ausgeübt werden, ihre eigene Migrationspolitik am Ansatz des „migration management“ zu orientieren, ohne dass den westlichen Staaten die Verletzung des Souveränitätsrecht vorgeworfen werden kann. Dies geschieht zum Beispiel beim „African Capacity Building Centre“ (ACBC) der IOM. Dieses Zentrum ist dafür da, afrikanischen Staaten bei allen Fragen rund um „migration management“ zu helfen. Konkret werden Trainings zur Vereinheitlichung der Grenzkontrollen, zur Bekämpfung von Menschenschmuggel und der Kontrolle von Pässen durchgeführt.

Es gibt auch Stimmen, welche IOs als vollkommen eigenständige Akteure mit eigener Macht sehen, welche unabhängig von den Interessen der Staaten handeln. Ich denke zwar nicht, dass die IOM ein pures Instrument ist, doch wenn von der IOM als eigenständiger Akteur gesprochen wird, können sich Staaten aus der Verantwortung ziehen und gewisse Migrationsarbeiten, welche gegen internationales Recht oder UN-Konventionen verstossen, an die IOM auslagern. Sie können dann weiter das Bild eines die Menschenrechte achtenden, humanitären und rechtsstaatlichen Staates zeichnen und mit dem Finger auf andere zeigen, ohne ihre Glaubwürdigkeit zu verlieren. Es gibt genügend Beispiele die aufzeigen, dass die westlichen Staaten einen Kack auf die „Allgemeine Erklärung der Menschenrechte“ oder das Völkerrecht geben, doch wenn die Möglichkeit besteht, dies zu kaschieren, wird das gerne gemacht.
Ob Internationale Organisationen nun Instrumente von Staaten oder eigenständige Akteure sind, mit dieser Frage beschäftigen sich Männer und Frauen aus wissenschaftlichen Kreisen zur Genüge. Ich habe eigentlich keine Lust darauf, Position zu beziehen und mich einer Theorie anzuschliessen, nur, um danach zu meinen, die Welt erklären zu können.

Die „freiwillige Rückkehr“

Je länger ich mich jeweils mit der internationalen Ebene und seinen Akteuren auseinandersetze, desto mehr kommt sie mir wie ein zynisches Spielfeld für verschiedenste Akteure (Staats-männer und frauen, IO, NGOs, wirtschaftliche Interessengruppen usw.) vor. Doch bei der theoretischen Auseinandersetzungen mit Migrationsmechanismen geht vergessen, dass all dies konkrete Auswirkungen auf die Lebensrealität zahlreicher Menschen hat. Vielleicht werden diese Auswirkungen besser sichtbar, wenn ich ein bestimmtes Programm der IOM vorstelle: „die freiwillige Rückkehr.“ Ausschaffungen gelten als staatlich autorisierter Umgang mit Menschen, welche keine Staatsbürger*innen sind, sich aber auf staatlichem Territorium befinden. Ausschaffungen sind in westlichen Staaten sehr beliebt, da damit Migrant*innen mit einem negativen Asylentscheid aus dem eigenen Staatsgebiet verbannt werden können. Trotz der Legitimität dieser Praxis ist sie nicht die eleganteste Art eines angeblich humanitären Staates wie der schweiz, da sie erzwungen und gewaltvoll ist und somit zu unschönen Geschichten und Bildern führt.
Die IOM bietet den Staaten eine alternative Vorgehensweise an, die besser klingt: „Freiwillige Rückkehr und Reintegration“. Die Grundidee ist, dass über finanzielle Anreize und technische Unterstützung die Mitwirkung der Migrant*innen bei ihrer eigenen Ausschaffung erreicht werden kann. Damit soll nach Angaben der IOM:

„..den Migrantinnen und Migranten, die nicht im Aufnahmeland bleiben können oder wollen, (…) eine menschenwürdige Rückkehr und Reintegration in ihrem Heimatland ermöglicht werden.“

Es wird als eine „win-win Situation“ verkauft: Die Migrant*innen bekommen durch die finanzielle Rückkehrhilfe eine Lebensperspektive in ihrem Herkunftsland und für den Staat ist es eine kostengünstige Alternative zur „Zwangsausschaffung“.
In der schweiz bekommen Migrant*innen bei einer freiwilligen Rückkehr direkt aus dem „Empfangs- und Verfahrenszentrum“ (EVZ) 500.-. Nach einem Aufenthalt über 3 Monate in der schweiz sind es 1000.-. Zudem besteht die Möglichkeit, materielle Zusatzhilfe von bis zu 3000.- für ein sogenanntes „Eingliederungsprojekt“ im Herkunftsland zu erhalten. Zum Beispiel für den Aufbau einer Bäckerei oder eines Kiosks.

Die IOM führt diese Rückführungen nicht komplett selbstständig durch, sondern bietet den Staaten ihre Dienste an und bekommt Aufträge wie ein Unternehmen. Auch die schweiz nimmt diese Dienste der IOM in Anspruch. Ein Beispiel ist das „freiwillige Rückkehr und Reintegrationsprogramm“ für Nigeria, welches seit 2005 existiert, vom „Staatssekretariat für Migration“ (SEM) finanziert und von der IOM Bern durchgeführt wird. Dieses Programm stellt eine Menge Angebote zur Verfügung: Rückkehrberatungen in der schweiz, Bereitstellung von allen Informationen bezogen auf die Rückkehr, Initiierung der finanziellen und medizinischen Unterstützung, Organisation der Rückkehr und Organisation der Reintegration im Herkunftsland.

Auch wenn die IOM von einer „Win-win Situation“ spricht, ist der Gewinn für die schweiz so gross, dass der Gewinn für die Migrant*innen nur schwer zu erkennen ist.
Die „freiwillige Rückkehr“ ist wirtschaftlich sehr lukrativ für die schweiz. Während sie dem Migrant oder der Migrantin bei der „freiwilligen Rückkehr“ im schlimmsten Fall 4000.- bezahlen muss, kostet sie eine Level-4-Ausschaffung zwischen 8000 und 10`000.- . Dazu kommt noch 140.- für jeden Tag in Ausschaffungshaft, was bei den maximalen 18 Monaten ca. 70`000.- sind.6

Es gibt Länder, welche nicht zulassen, dass Bürger*innen ihres Landes mittels „Zwangsausschaffung“ zurückgeschafft werden. „Freiwillige Rückkehrungen“ sind dann meistens die einzige Möglichkeit für eine Ausschaffung. Menschen aus solchen Ländern müssen also einfach dazu gebracht werden, diese „freiwillige Rückkehr“ zu akzeptieren. Die Mittel, um einen Menschen an diesen Punkt zu bringen, sind zahlreich: Bis zu 18 Monate Ausschaffungshaft, hohe Bussen, Gefängnisstrafen wegen „illegalem Aufenthalt“, Arbeitsverbot, ca. 8.- Nothilfe pro Tag, Schlafplätze in Zivilschutzanlagen, oft unter der Erde usw. Spannend, dass bei dieser Art von Rückkehr die Freiwilligkeit und Zwanglosigkeit so hoch gelobt wird.
Mit diesem Ausschaffungssystem voller freier Entscheidungen kann der Migrant oder die Migrantin auch für die gewaltvolle Ausschaffung selbst verantwortlich gemacht werden. Die schweiz gibt ihnen ja die Möglichkeit, freiwillig auszureisen und dazu noch Geld zu bekommen. Urs von Arb vom Staatsekretariat für Migration bedauert, dass es Menschen gibt, die dieses Angebot nicht annehmen wollen und ihn zwingen „Zwangssauschaffungen“ anzuwenden:

„Aber es gibt leider Leute, die nicht freiwillig gehen wollen. Also sagen wir: Hör zu, wir buchen dir einen Flug. Aber die Person weigert sich noch immer. Sie lässt sich nicht von der Polizei auf ein Flugzeug begleiten. Dann sagt die Polizei: So geht das nicht. Die Person muss auf Level 4 ausgeschafft werden.“

Ist eine Level-4-Ausschaffung also auch eine freiwillige Rückkehr? Oder bezieht sich das Wort Freiwilligkeit bei der „freiwilligen Rückkehr“ auf den Entscheid, „freiwillig“ auf körperliche Gewalt zu verzichten oder „freiwillig“ dem Druck nicht mehr stand zu halten, welcher von den Behörden und dem Gewaltapparat auf einen Menschen ausgeübt wird?
Entweder werden alle Arten von Ausschaffungen als freiwillig bezeichnet, dann ist der Begriff ohne Bedeutung. Oder aber alle Ausschaffungen werden als das gesehen was sie sind: Gewaltvolle, erzwungene und menschenunwürdige Praktiken, angeordnet von einem Staat gegen einen Menschen, welcher den falschen Pass besitzt.

Ja, die IOM ist eine wüste Organisation

Es ist mir wichtig, dass auch die IOM im Kampf gegen das Migrationsregime Ziel von Kritik und Widerstand ist. Ihre Migrationsprogramme und Angebote beinhalten die Organisation von Ausschaffungen, die Verbesserung von Grenzkontrollen, das Drehen von „Abschreckungsvideos“ über die schweiz und Einiges mehr, was absolut beschissen ist.

Meine Hauptkritik an der IOM verbindet sich aber wieder mit der Kritik an Nationalstaaten, dem Kapitalismus, der Herrschaft usw. Denn für mich ist klar, dass die IOM für die westlichen Staaten von grossem Nutzen ist, um ein weiteres Feld der internationalen Politik unter ihre Kontrolle zu bringen. Die Kontrolle über die Migrationspolitik anderer Staaten, versuchen die westlichen Staaten demnach nicht nur über Entwicklungshilfe oder andere Machtspiele zu erreichen, sondern auch dadurch, dass die Art und Weise, wie sie über ein Thema denken, universale Gültigkeit erlangt. Mit der Entwicklung und der Verbreitung des Konzeptes „migration management“ gibt die IOM vor, welche Formen von Migration es gibt und wie mit diesen umgegangen werden soll. „Migration management“ ist ein Konzept der westlichen Staaten, nach welcher alle Staaten ihr Handeln richten sollen. Es wird als einzige Lösung vorgegeben und soll Migration zum Vorteil aller Beteiligten in kontrollierte Bahnen lenken. Je hegemonialer dieses Verständnis von Migration in der Politik und im kollektiven Verständnis wird, desto natürlicher wird es, Menschen in Lager einzusperren oder aufgrund falscher Papiere auf der Strasse zu jagen.

Die Autorin sieht diesen Text als Versuch, einen weiteren Akteure dieses verhassten Migrationsregimes vorzustellen. Gewissermassen ist er aber auch eine Abrechnung mit der Zeit in den Hörsälen und Seminarräumen. Durch wissenschaftliche Texte und von dozierenden Personen lernte die Autorin das Spiel der Internationalen Politik etwas kennen. Die Spielregeln und die Existenz der Spieler selbst wurden jedoch kaum kritisch hinterfragt sondern als natürlich gegeben vermittelt.
Quellen

1 Der Titel ist gestohlen.
2 In den Herkunftsländern von Migrant*innen, die Länder die Migrant*innen auf ihrer Reise passieren (Transitländer) und in diesen Ländern, welche als Zielland gewählt werden.
3 Die IOM spricht von „irreguläre Migration“. „Illegale Migration“ wird von ihr für den Menschenschmuggel verwendet.
4 International Organization for Migration (IOM) (2015): 106th Session, Programm and Budget for 2016. https://governingbodies.iom.int/system/files/en/council/106/C-106-7-Programme-and-Budget-for-2016.pdf
5 Mit Wohlstandsstaaten ist die Ansammlung von Staaten mit einem hohe „Bruttoinlandprodukt“ (BIP) gemeint. Ich möchte damit nich sagen, dass alle Menschen in diesen Wohlstandsstaaten ein Leben in Wohlstand leben.
6 Die Daten stammen von 2011: Stellungnahme des Bundesrates von 25.5.2011.
https://www.parlament.ch/de/ratsbetrieb/suche-curia-vista/geschaeft?AffairId=20113045

Weitere Informationen

– Andrijasevic, Rutvica / Walter, William (2010): The International Organization for Migration and the international government of borders. Environment and Planning D: Society and Space. Vol. 28. Pp. 977-999.
– Ashutosh, Ishan / Mountz, Alison (2011): Migration management for the benefit of whom? Interrogating the work of the International Organization for Migration. Citizenship Studies, Vol. 15, No. 1, Pp. 21-38.
– Geiger, Martin / Pécoud, Antoine (2014): International Organisations and the Politics of Migration. Journal of Ethnics and Migration Studies, Vol. 40, No. 6, pp. 865-887.
– Hanimann, Carlos (2010): Im Grenzgebiet des Rechts. WOZ, Nr. 28/2010.
– IOM Bern: http://www.ch.iom.int/
– IOM: https://www.iom.int/

Der Versuch einer Schliessung der zentralen Mittelmeerroute

Im November 2017 trafen sich Minister*innen aus 13 Staaten und Vertreter*innen verschiedener zwischenstaatlicher Organisationen zum dritten Treffen der Kontaktgruppe zentrales Mittelmeer in Bern. Sommaruga erklärte in allen Medien, wie dieses Gremium 14’000 Flüchtlinge vor dem Ertrinken gerettet habe und sich um die Verbesserung der Lage von gefangenen Migrant*innen in libyen einsetze. Das klingt toll, aber was steckt dahinter?

Dahinter steckt, dass die libysche Küstenwache, finanziell von den Teilnehmerländern unterstützt, 14’000 Menschen kurz nach dem Ablegen von den Booten geholt hat und sie in libysche Internierungslager einsperrte.1 Die Kontaktgruppe verfolgt nämlich hauptsächlich eine Politik, die die Migrationsthematik möglichst weit weg von europa wegschieben möchte. Dem entsprechen die drei wichtigsten Prioritäten, die die Kontaktgruppe formuliert:

1. Die Stärkung der libyschen Küstenwache.
2. Der Ausbau der Schutzkapazitäten für Migrant*innen in libyen.
3. Die Kontrolle der libyschen Südgrenze.2

Es ist dieselbe Politik, die vor einem Jahr in der Schliessung der Balkanroute durch einen zweifelhaften Deal mit der türkei mündete. Diesen Sommer wurde sie, unter weitaus weniger Beachtung der Öffentlichkeit als damals, mit der teilweisen Schliessung der zentralen Mittelmeerroute fortgesetzt. Dies gelang vor allem dank den Bemühen des italienischen Ministerpräsidenten Minniti, der zahlreiche offizielle wie auch korrupte Deals mit verschiedenen Warlords, Milizen, der Küstenwache und Bürgermeistern in libyen aushandelte. Mit den Deals konnten die verschiedenen libyschen Akteur*innen offenbar überzeugt werden, die Abfahrt der Flüchtlingsboote zu verhindern.

…dass der Wohlstand europas auf den Säulen Gewalt, Ausbeutung und Krieg steht.

Die Seehoheitszone libyens wurde auf 100 Kilometer vor der Küste des Landes ausgeweitet, zuvor lag sie bei 12 Kilometern. Das bedeutet, dass innerhalb dieses Streifens nur noch Boote der libyschen Küstenwache patroullieren und Seenotrettungen durchführen dürfen. Ein Rettungsboot, das sich in die 100 Kilometer Zone begab, wurde von der libyschen Küstenwache mit scharfer Munition beschossen. Die finanzielle Unterstützung eben dieser Küstenwache und der libyschen Einheitsregierung, die die Internierungslager betreibt, ist für die eu laut Sigmar Gabriel angeblich alternativlos.3
Gleichzeitig zwang die eu die verschiedenen Hilfsorganisationen, die auf dem Mittelmeer aktiv sind, einen Kodex zu unterschreiben. Dieser Kodex beinhaltet die Pflicht zur Mitnahme bewaffneter Polizist*innen auf den Rettungsbooten so wie das Verbot der Übergabe geretter Personen an grössere Schiffe. Letzteres hätte zur Folge, dass kleine Schiffe nach einer Rettung immer direkt nach italien fahren müssten und somit für mehrere Tage keine weitere Rettungen durchführen könnten. Es ist erfreulich, dass einige Organisationen sich dieser Politik widersetzten und den Kodex nicht unterschrieben. Ärzte ohne Grenzen schreibt, dass “der Verhaltenskodex die Perspektive zu verankern scheint, dass Staaten die Lebensrettung auf Nichtregierungsorganisationen auslagern können, um die eigenen Bemühungen auf Marine- und Militäroperationen konzentrieren zu können.”4
Den Organisationen, die den Kodex nicht unterschrieben, wurde gedroht, dass ihnen das Anlaufen italienischer Häfen verboten werde. Ausserdem wurden in mehreren Fällen verdeckte Ermittler*innen und Wanzen auf die Schiffe geschafft und ein Schiff der Organisation Jugend rettet wurde von der italienischen Polizei beschlagnahmt. Eine mediale Kampagne propagierte die zynische Behauptung, die NGO’s würden mit ihren Rettungen einen Pull-Faktor darstellen und seien deshalb die wahren Verantwortlichen für die vielen Toten. Zweifelsohne ein Versuch, die wertvolle Arbeit der Hilfsorganisationen zu diffamieren.

Die von der Kontaktgruppe Zentrales Mittelmeer gewählte Strategie zeigte Wirkung. Seit Juli sind die versuchten Überfahrten von libyen nach italien auf einem Dauertief und die Internierungslager in libyen füllen sich.5 Menschen werden in libyen in die Sklaverei und in Gefangenenlager gedrängt und Vergewaltigungen und Misshandlungen ausgesetzt.6 Ein Zitat von Sommaruga verdeutlicht den doppelten Profit dieser Strategie für die europäischen Staaten. Einerseits konnte der gewaltvolle Umgang mit migrierenden Menschen ein weiteres Stück vom befriedeten europa entfernt werden, andererseits können sie ihr humanistisches Mäntelchen zur Geltung bringen:

Wir müssen die Schwächsten rasch aus den libyschen Haftzentren rausholen können. Die Situation dort ist absolut katastrophal. Darunter leiden auch alle anderen Migranten, etwa die vielen Arbeitsmigranten, die in libyen gestrandet sind und nun dort festsitzen. Sie müssen wir unterstützen, damit sie freiwillig in ihre Heimatstaaten zurückkehren. Denn in europa erhalten sie kaum Asyl, riskieren mit einer Fahrt über das Mittelmeer aber ihr Leben.7

Dass trotz den verstärkten Abwehrmechanisem weiterhin Migrant*innen ankommen, verdeutlicht allzu sehr, dass der Wohlstand europas auf den Säulen Gewalt, Ausbeutung und Krieg steht. Es ist ein Bild das nicht ins europäische Selbstverständnis passt. Der Schwerpunkt der Strategie liegt meiner Meinung nach darin, europa vor den Folgen der Kriege und der Not, für die es selbst verantwortlich ist, abzuschirmen. Dass europa dabei kein bisschen davor zurückschreckt, militärische Mittel zu ergreifen, scheint eine logische Konsequenz zu sein.
europa führt einen Krieg gegen die Migrant*innen, der sich auf verschiedenen Ebenen abspielt. Ja, richtig gelesen, Krieg. Denn es ist ein Krieg. Ein Krieg an der Grenze, gegen Migrant*innen, ein Krieg, der der Ausbeutung und der Machterhaltung aber auch der Befriedung europas und dem Erhalt von Privilegien dient. Dies zeigt die Bewachung der Grenzen durch das Militär in libyen wie auch in europa. Dies zeigen die Lager, in die Menschen gesperrt werden, in libyen wie auch in europa. Und dies zeigen die durch das Grenzregime getöteten Menschen, in libyen wie auch in europa.

Der Schreibende hat zur Entstehung dieses Textes eine kleine Online-Recherche betrieben. Seiner Abscheu gegenüber den Nationalstaaten und ihrem Grenzregime verleiht er in diesem Text auch durch das Kleinschreiben von Ländernamen Ausdruck.

Das Geschäft mit den Ausschaffungen

Ein Poltern an die Zellentüre des Gefängnisses Bässlergut kündigt die bevorstehende Ausschaffung an: Aren* macht sich bereit zum Widerstand. Weil er seine Zelle nicht verlassen will, versuchen ihn vier Polizisten aus dem kleinen Raum herauszuzerren und treten ihn mit ihren Schuhen. Verprügelt wird Aren, bis es den Polizisten möglich ist, ihm Fesseln anzulegen, die seine Hände und Füsse zusammenpressen. Als Letztes bekommt er einen Helm übergestülpt, man bringt ihn ins vor dem Gefängnis wartende Auto. Es folgt die Fahrt von Basel zum Genfer Flughafen, wo bereits der Sonderflug für die Level-4-Ausschaffung nach Liberia bereit steht.

Die zweite Ausschaffung

Angekommen in der Hauptstadt Monrovia kommt es zum Interview mit dem liberianischen Migrationsamt. Aren versucht, seine Ausschaffung im letzten Moment zu verhindern und erklärt, nicht aus diesem Land zu kommen. Schliesslich bezeichnet er sich als Nigerianer. Die Verneinung und Arens Bezeichnung als einem anderen Staat angehörig, führt zu Verwirrung in dem kleinen Büro, in welchem sich neben Aren nur die zuständige Person des liberianischen Migrationsamts befindet; die Schweizer Polizisten sind nicht zugelassen. Schliesslich weigern sich die Migrationsbehörden, ihn ohne klare Identitätsüberprüfung in das Land aufzunehmen. Ohne Einreiseerlaubnis einer Ausschaffungsmöglichkeit beraubt, fliegen die Polizisten mit Aren wieder denselben Weg zurück in die Schweiz. Hier angekommen wird ihm mitgeteilt, er sei nun frei. Aren wird zurück in die Asylunterkunft in Sissach gebracht. Dort untersucht ihn ein Arzt. Er stellt Verletzungen im Ohr, am Bein und Knie sowie den Händen fest und will Aren wegen seinen inneren Verletzungen im Spital untersuchen lassen. Dazu kommt es jedoch nicht mehr: Ein weiteres Mal wird Aren in der darauffolgenden Nacht klopfend geweckt und wiederum zurück ins Gefängnis Bässlergut gebracht. Er werde nun nach Nigeria ausgeschafft, wird ihm hier mitgeteilt. Eine zweite Ausschaffung in so kurzer Zeit sei unrealistisch, ist sich Aren sicher. Zum einen befindet er sich unmittelbar vor dem Ablauf der 18-monatigen Ausschaffungshaft. Laut geltendem Recht müsste er nach dieser Zeit aus der Haft entlassen werden. Zum anderen ist er sich sicher, dass niemand denkt, dass er Nigerianer sei. Denn als Aren sein Asylgesuch stellte, deklarierte er klar, Liberianer zu sein. Das schweizerische Migrationsamt glaubte ihm jedoch nicht und leitete stattdessen eine Befragung durch eine nigerianische Expertendelegation ein; eine nigerianische Staatsangehörigkeit verneinte diese jedoch.
Doch seine Hoffnung wird enttäuscht: Eine Woche später wird Aren mit einem Frontex Sammelflug nach Nigeria ausgeschafft. Obwohl es kein weiteres Interview mit der nigerianischen Botschaft gab, stellte diese lediglich aufgrund von Aussagen einer Drittperson ein Laissez-passer (Ersatzdokument) aus.

Migrationspartnerschaften

Laut der Asylstatistik des schweizerischen Staatssekretariats für Migration (SEM), ist Aren eine von 101 Personen, die im Jahr 2016 nach Nigeria ausgeschafft wurden. Damit liegt das Land, verglichen mit anderen afrikanischen Ländern, an erster Stelle, gefolgt von Tunesien mit 59 Ausschaffungen.

2011 schlossen die Schweiz und Nigeria eine Migrationspartnerschaft ab. Der Vertrag verpflichtet Nigeria mittels eines Rückübernahmeabkommens dazu, auch unfreiwillige Ausschaffungen zu akzeptieren.

2011 schlossen die Schweiz und Nigeria eine Migrationspartnerschaft ab. Der Vertrag verpflichtet Nigeria mittels eines Rückübernahmeabkommens dazu, auch unfreiwillige Ausschaffungen zu akzeptieren.
Neben Nigeria schloss die Schweiz solche Partnerschaften bereits mit Tunesien, Kosovo, Serbien sowie Bosnien und Herzegowina ab, diesen Oktober kam es zu ersten Vereinbarungen mit Sri Lanka. Ziel der Partnerschaften ist es, „die Zusammenarbeit im Migrationsbereich zu stärken sowie die illegale Migration und deren negative Folgen zu mindern“ (Art. 100 AuG). Neben dieser Definition sind im Ausländergesetz mögliche Abkommen, beispielsweise zur Visumspflicht und Grenzkontrollen, Ausschaffungen und beruflichen Aus- und Weiterbildungen aufgeführt.
Wie diese Abkommen konkret umgesetzt werden, ist unklar. Gesuche zur Einsicht in die mehrere tausend Dokumente umfassenden Vereinbarungen der zwischen der Schweiz und Nigeria abgeschlossenen Migrationspartnerschaft sind noch in Abklärung. Lediglich vereinzelte Medienmitteilungen des Bundesrates geben einen kleinen Einblick in die konkreten Umsetzungen dieser Partnerschaften. So wurde zum Beispiel in Zusammenhang mit der Migrationspartnerschaft ein Pilotprojekt zur Polizeizusammenarbeit lanciert, das Stage-Einsätze von nigerianischen Polizeibeamten in der Schweiz ermöglichte. Zudem wird die Migrationspartnerschaft zwischen der Schweiz und Nigeria insbesondere im Hinblick auf die  zusammen mit der Firma Nestlé realisierten „innovativen Migrationsprojekte“ gelobt. In einem Bericht des Bundesrates vom 2. Juli 2014 heisst es: „Als Beispiel sei die Zusammenarbeit zwischen dem BFM [heutiges Staatssekretariat für Migration] und Nestlé genannt. Dabei handelt es sich um eine öffentlich-private Partnerschaft, welche die fachliche Ausbildung von dreizehn jungen Menschen aus Nigeria unterstützt. Die fünf besten durften im Sommer 2013 ein Praktikum in der Schweiz absolvieren.“ Im Vergleich mit den Ausschaffungen ist es eine absurde Zahl, mit der hier die Migrationspartnerschaft in Zusammenarbeit mit Nestlé zu legitimieren versucht wird.

Nestlés Profit mit dem Wasser

Nigerias Wasserressourcen sind knapp: Durch den Klimawandel verursachte Dürren führen zu immer weniger fruchtbarem Boden. Die Folgen dieser Entwicklung sind vermehrte Konflikte um die übriggebliebenen Flächen und Migration aus ländlichen Regionen in Städte mit oft unzureichender Infrastruktur und Arbeit.
Von genau dieser Wasserknappheit profitiert Nestlé. Seit Jahren kauft der Schweizer Konzern in Nigeria Wasserrechte auf. Durch die Produktion des unter dem Namen „Pure Life“ verkauften Flaschenwassers würden Arbeitsplätze geschaffen und der Zugang zu sauberem Trinkwasser ermöglicht, heisst es in der offiziellen Erklärung. Jedoch klammern diese Darstellungen aus, dass die meisten Menschen in Nigeria sich das in Plastikflaschen verkaufte Wasser gar nicht leisten können. Durch die Privatisierung von Wasserrechten wird also dem grössten Teil der Bevölkerung der Zugang zu sauberem Wasser nicht erleichtert, sondern vielmehr verwehrt. Auf die Vorwürfe der profitgesteuerten Wasserproduktion angesprochen, meint Peter Brabeck-Letmathe, ehemaliger CEO und aktueller Präsident des Verwaltungsrates von Nestlé: „Wasser ist ein Lebensmittel. So wie jedes andere Lebensmittel sollte das einen Marktwert haben. Ich persönlich glaube, es ist besser, man gibt einem Lebensmittel einen Wert, sodass wir uns alle bewusst sind, dass das etwas kostet.“
Die Zusammenarbeit mit Nestlé, deren Privatisierung von Wasserrechten in Nigeria gut dokumentiert ist und die sämtliche existentiellen Realitäten nicht beachtet, als Exempel für den Erfolg einer Migrationspartnerschaft zu erwähnen, ist bezeichnend. Es ist ein Beispiel für die Doppelseitigkeit, mit Privilegien wie Reisefreiheit, Schutz und Berufsmöglichkeiten für eine kleine, ausgewählte Gruppe auf der einen und damit in Zusammenhang stehende verstärkte Repression gegenüber einer Mehrheit auf der anderen Seite. Die Migrationspartnerschaft zwischen der Schweiz und Nigeria institutionalisiert somit nicht nur eine unmenschliche Ausschaffungspraxis; vielmehr wird dadurch eine profitwirtschaftliche Logik unterstützt, die den Alltag des grössten Teiles der Bevölkerung prekarisiert und somit eine Ursache für Migration darstellt.

Ausschaffungslevels
Art. 28 der Zwangsanwendungsverordnung sieht folgende Vollzugsstufen vor:
Vollzugsstufe 1: Die rückzuführende Person hat einer selbstständigen Rückreise zugestimmt. Sie wird von der Polizei bis zum Flugzeug begleitet; die Rückreise erfolgt ohne Begleitung;
Vollzugsstufe 2: Die rückzuführende Person hat einer selbstständigen Rückreise nicht zugestimmt. Sie wird in der Regel durch zwei Polizistinnen oder Polizisten in Zivil begleitet. Sofern nötig, können Handfesseln eingesetzt werden;
Vollzugsstufe 3: Es ist zu erwarten, dass die rückzuführende Person körperlichen Widerstand leistet, der Transport mit einem Linienflug ist jedoch möglich. Die rückzuführende Person wird in der Regel von zwei Polizistinnen oder Polizisten in Zivil begleitet. Bei der Rückführung können Handfesseln und andere Fesselungsmittel sowie körperliche Gewalt eingesetzt werden;
Vollzugsstufe 4: Es ist zu erwarten, dass die rückzuführende Person starken körperlichen Widerstand leistet; für den Transport ist ein Sonderflug nötig. Jede rückzuführende Person wird von mindestens zwei Polizistinnen oder Polizisten begleitet. Es dürfen die gleichen Zwangsmittel eingesetzt werden wie bei der Vollzugsstufe 3.
Vollzugstufe 1 entspricht der umgangssprachlichen „selbstständigen Ausreise“, Vollzugsstufe 2 der „kontrollierten Rückführung“, Vollzugsstufe 3+4 dem „Sonderflug“.

Quelle
Dieser Text entstand nach der Begegnung mit der erwähnten Person im Ausschaffungsgefängnis. Wie es ihr heute geht, weiss die schreibende Person nicht: Jeglicher Kontakt ist nach der Ausschaffung abgebrochen.
Für Informationen zu Nestlés Wasserinvestitionen